Pressemitteilungen

Schmidt: „Rund 340.000 Stellen bei den Freien Berufen unbesetzt.“

„Aktuell fehlen den Freien Berufen in ihren Teams laut unserer Umfrage rund 46.000 Auszubildende, 236.000 Fachkräfte und 60.000 Freiberuflerinnen sowie Freiberufler. Dies sind massive Lücken bezogen auf rund 4,5 Millionen Beschäftigte, darunter rund 129.000 Auszubildende. Damit verschärft sich der Fachkräftemangel in unseren Reihen nochmals deutlich, lag der Wert unbesetzter Stellen bei der letzten Befragung von Ende 2019 noch bei rund 300.000. Dieser Trend scheint sich fortzuschreiben. Trotz krisenhaften Umfelds rechnet derzeit jede dritte Freiberuflerin, jeder dritte Freiberufler damit, im kommenden Jahr nochmals mehr Personal zu brauchen. Zudem befürchtet jede zweite Freiberuflerin, jeder zweite Freiberufler, auch im kommenden Jahr Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung zu haben“, so BFB-Präsident Friedemann Schmidt zu den Ergebnissen der BFB-Umfrage zur Fachkräftesicherung.

Und sagt weiter: „An unserer Befragung nahmen rund 3.500 Freiberuflerinnen und Freiberufler teil. Ein ausgesprochen hoher Wert, der widerspiegelt, wie drängend dieses Thema ist. Schauen wir auf die einzelnen Beschäftigtengruppen, ist der Bedarf gerade in den Kernbereichen der freiberuflichen Vertrauensdienstleistungen und damit beim direkten Kontakt zu Patientinnen, Mandanten, Klientinnen und Kunden besorgniserregend hoch. Auch wenn die Freiberuflerinnen und Freiberufler sich gemeinsam mit ihren Teams für ihre Patientinnen, Mandanten, Klientinnen und Kunden einsetzen – oft auch weit über Anschlag –, die Schleifspuren zeichnen sich bereits vor. Knapp zwei Drittel der Befragten mussten Aufträge, Behandlungen, Mandate etc. ablehnen. Fast jede Zweite, jeder Zweite kann ihre, seine Wissensdienstleistung nur noch eingeschränkt anbieten.

Die Folgen reichen weit. Fehlen mehr und mehr Fachkräfte, dann fehlt im Feld der Freien Berufe nicht nur ein vielleicht verzichtbares Produkt im Regal, sondern eine gesellschaftlich unverzichtbare Dienstleistung. Können diese nicht erbracht werden, droht ein Dominoeffekt, der sich auch auf andere Branchen auswirkt. Die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft gelingt nur mit möglichst reibungslosen Abläufen, die wiederum ein feines Zusammenspiel der Branchen erfordern. Gerade die Freien Berufe sind Garanten für die Energiewende, für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums oder die Versorgung einer im Zuge des demografischen Wandels immer älter werdenden Bevölkerung.

Angesichts der demografischen Entwicklung ist die Sicherung des Fachkräftebedarfs eine der großen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte. Alle Akteurinnen und Akteure aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sind gefordert, dies als entscheidende Zukunftsaufgabe in den Mittelpunkt zu stellen. Wir brauchen beispielsweise ein aussagekräftiges Monitoring, um regionale und branchenspezifische Engpässe zu identifizieren. Wir Freie Berufe selbst sind gefordert, unsere zukünftigen Fachkräfte zu binden und zu qualifizieren. So engagieren wir uns längst vielfältig: in Initiativen gegen Ausbildungsabbrüche wie VerA oder in der Begabtenförderung wie in der Stiftung Begabtenförderung oder in der Allianz für Aus- und Weiterbildung. Auch spielt lange schon die Integration von jungen Menschen mit ausländischem Hintergrund aufgrund der hohen Integrationskraft der Freien Berufe eine große Rolle, mittlerweile haben 18,3 Prozent der Auszubildenden bei uns einen ausländischen Hintergrund.

Laut unserer Umfrage setzen die Freien Berufe alle Hebel in Bewegung, um dem Personalmangel aktiv entgegenzuwirken. Sie können anders als große Unternehmen schneller und flexibler reagieren. Hauptaugenmerk liegt hier auf dem Bereich der Fort- und Weiterbildungen und einer Optimierung der Aufgaben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um ein effizientes Arbeiten zu ermöglichen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird dabei mit flexibleren Teilzeitmodellen bedacht. Auch der Einsatz digitaler Tools wird – wenn möglich – genutzt und es wird versucht, Mehrarbeit finanziell attraktiv zu gestalten. Weitere Maßnahmen, die bereits in Ansätzen genutzt werden, sind die Nutzung des Potenzials älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Förderung sowie die Weiterqualifikation von Jugendlichen, die bisher keine Ausbildung absolviert haben.“

Die Ergebnisse im Einzelnen:

Unbesetzte Stellen
Jede zweite Freiberuflerin, jeder zweite Freiberufler hat unbesetzte Stellen (48,5 Prozent), 51,5 Prozent nicht. Besonders hoch ist der Bedarf der freien Heilberufe, mit Abstand folgen die technisch-naturwissenschaftlichen und die rechts-, steuer- und wirtschaftsberatenden Freiberuflerinnen und Freiberufler, weniger betroffen sind die freien Kulturberufe.

Besonders ausgeprägt ist der Bedarf mit 79,2 Prozent bei Einheiten zwischen über zehn und 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mit 76,5 Prozent bei über fünf bis zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Gut ein Drittel (38,1 Prozent) hat eine unbesetzte Stelle. Knapp die Hälfte (48,8 Prozent) hat bis zu drei offene Stellen, 6,1 Prozent bis zu fünf unbesetzte Stellen und sieben Prozent mehr als fünf unbesetzte Stellen.

Personalbedarf in 2023
Von den Befragten rechnen 30,9 Prozent mit einem weiter steigenden Bedarf, 56,5 Prozent gehen davon aus, dass er gleich bleibt und 12,6 Prozent davon, dass er geringer sein wird.

Gefragt nach den einzelnen Berufsgruppen geben 36,5 Prozent der Befragten an, dass speziell freiberufliche angestellte Fachkräfte (ausgelernte Assistenzkräfte etc.) gefragt sein werden, 36,3 Prozent werden nach bei ihnen angestellten Freiberuflerinnen und Freiberuflern suchen, 26,2 Prozent nach sonstigen angestellten Fachkräften und 24,6 Prozent nach Auszubildenden.

Schwierigkeit, Personalbedarf 2023 zu decken
Mehr als jede zweite Freiberuflerin, jeder zweite Freiberufler befürchtet, auch im kommenden Jahr Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung zu haben. Von den Befragten sehen 17,6 Prozent sehr große Schwierigkeiten, 34,6 Prozent eher große Schwierigkeiten, 17,3 Prozent eher geringe Schwierigkeiten und 30,5 Prozent keine Schwierigkeiten.

Gefragt nach den einzelnen Berufsgruppen geben 73,7 Prozent der Befragten an, dass sie Schwierigkeiten gerade bei speziell freiberuflich angestellten Fachkräften befürchten, 72,2 Prozent erwarten dies mit Blick auf die bei ihnen anzustellenden Freiberuflerinnen und Freiberufler, 61,7 Prozent bei Auszubildenden und 52,8 Prozent bei sonstigen angestellten Fachkräften.

Personalsuche
Diese gestaltete sich 2021 für 76,3 Prozent schwierig bis sehr schwierig, für 39,5 Prozent ist es aktuell noch schwieriger als schon 2021.

Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel
59 Prozent der Befragten geben an, dass der Ressourcenverbrauch durch Misstrauensbürokratie wie etwa Dokumentationspflichten verringert werden sollte. 57,3 Prozent fordern, die schulische Berufsorientierung zu stärken. 40,8 Prozent schlagen vor, qualifizierte Migration und 40,1 Prozent, bessere schulische Qualifikation zu fördern. 35,5 Prozent sehen darin einen Ansatz, Arbeit über die Altersgrenze hinaus attraktiver zu gestalten

Selbst ergriffene Maßnahmen gegen Personalmangel
52,1 Prozent stärken die Fort- und Weiterbildung, 47,8 Prozent bauen Teilzeitoptionen für Eltern aus, 43,7 Prozent nehmen weniger Aufträge an. 40,5 Prozent passen die Aufgaben ihrer Mitarbeiterinnen  und Mitarbeiter zum Ausgleich unbesetzter Stellen an. 33,6 Prozent setzen auf mehr Digitalisierung. 23,3 Prozent fördern gezielt ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. 13,9 Prozent qualifizieren Jugendliche ohne Berufsausbildung

Folgen des Personalmangels
76,1 Prozent konstatieren eine höhere Arbeitsbelastung für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 62,9 Prozent mussten Aufträge, Behandlungen, Mandate etc. bereits ablehnen. 48,8 Prozent sehen ihr Wachstum gefährdet. 43 Prozent können ihre Dienstleistung nur noch eingeschränkt erbringen. 42,8 Prozent haben bereits Projekte verschoben. In Folge planen 7,2 Prozent ihr Geschäft aufzugeben und 6,7 Prozent, vorzeitig in den Ruhestand einzutreten.

Über die Umfrage
Repräsentative Umfrage des Instituts für Freie Berufe (IFB) im Auftrag des BFB, durchgeführt vom 26. August bis 14. September 2022 unter 3.500 Freiberuflerinnen und Freiberuflern zur Fachkräftesicherung.