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Schmidt: „Überlastung bei Teilen der Freien Berufe steigt deutlich“

Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Freie Berufe (IFB) unter rund 1.200 Freiberuflern zu deren wirtschaftlichen Lage. Im Sonderteil wurden Gründungen in den Freien Berufen vertieft betrachtet.

„Während jeder zweite Freiberufler seine aktuelle Lage als gut bewertet, bezeichnen 13,4 Prozent der Befragten ihre Situation als schlecht. Die Stimmung hat sich im Vergleich zum Vorwinter etwas verbessert. Allerdings war die sich erneut verschärfende Situation aufgrund der kritischeren Pandemielage im Befragungszeitraum noch nicht zu spüren. Insofern ist auch der zuversichtlichere Blick auf das kommende Halbjahr mit Unsicherheit behaftet. Grundsätzlich zieht das Geschäftsklima wieder an. Mittlerweile dürften sich viele mit der krisenhaften Situation arrangiert haben“, so BFB-Präsident Friedemann Schmidt zu den Ergebnissen der Umfrage.

Und sagt weiter: „Entlang der Umfrage erwarten wir bislang positive Beschäftigungsimpulse. Jeder fünfte Freiberufler plant, innerhalb der nächsten beiden Jahre mehr Personal einzustellen. Dies ist auch ein Indiz dafür, wie stark die Freien Berufe in der Krise gefragt sind. Ob die vorherige oder die nun neue Bundesregierung, die Freien Berufe tragen seit fast zwei Jahren das Krisenmanagement der politischen Entscheider in der Corona-Pandemie an entscheidenden Stellen mit. So helfen gerade die freien Heilberufe, die dramatischen gesundheitlichen Folgen der Krise abzuwehren, und stehen die beratenden Freiberufler Bürgern wie Unternehmern zur Seite und tragen so zum Erfolg der Hilfsprogramme bei. Doch die Arbeitsbelastung ist für viele enorm. Waren im Vorwinter 17,4 Prozent der Befragten überausgelastet, sind es jetzt 29,5 Prozent, also fast jeder Dritte. Hier muss die Politik genau hinsehen und beispielsweise Kapazitätsaus- und -überlastung durch Fristverlängerungen abfedern, wo möglich Dokumentationspflichten entschlacken und die Impfstoffbereitstellung optimieren. Überdies sind kluge Konzepte gegen den Fachkräftemangel gefragt. Diejenigen, die überausgelastet sind, geben nicht nur eine enorme Nachfrage als Grund an, sondern auch massive Probleme, Mitarbeiter zu finden.

Vor der Koalition liegen große Aufgaben. Für die Lösung vieler Zukunftsfragen, die unser Land herausfordern, sind die Potenziale der Freien Berufe wertvoll: Seien es die Digitalisierung, der demografische Wandel, die Schaffung bezahlbaren Wohnraums oder in puncto Nachhaltigkeit respektive Klimaschutz die Energie- und Verkehrswende. Ohne uns als Experten und Vertrauensträger gibt es keinen Fortschritt und keine gleichwertigen Lebensverhältnisse.

Wir Freie Berufe sind bereit, unsere Expertise auch in den konstruktiven politischen Dialog mit der neuen Bundesregierung einzubinden. Verschiedene Aspekte sind noch nicht konkret genug, und erst im Regierungshandeln wird sich herauskristallisieren, wie viele Herausforderungen die Bundesregierung für uns Freie Berufe bereithält. Aber grundsätzlich begrüßen wir das Bekenntnis zu den Freien Berufen und die Rückendeckung für das hiesige System „Freier Beruf“ auf europapolitischem Parkett. Darauf lässt sich aufbauen.

Aus dem Sonderteil unserer Umfrage zur Gründung lässt sich ableiten, dass die Bundesregierung alles daran setzen muss, Gründergeist zu entfachen und Selbstständigkeit zu bewerben. Beides hat durch die Krise gelitten. Schließlich waren und sind Selbstständige auch in den Freien Berufen in der Pandemie belasteter als Angestellte. Die wichtigen Impulse des Koalitionsvertrags sollten alsbald Wirklichkeit werden.“

Ergebnisse der BFB-Konjunkturumfrage Winter 2021 im Einzelnen, Grafiken stehen hier.

Aktuelle Geschäftslage
Ihre aktuelle Geschäftslage schätzen 50,3 Prozent der befragten Freiberufler als gut ein, 36,3 Prozent als befriedigend und 13,4 Prozent als schlecht. Verglichen mit den Vorjahreswerten hellt sich die Stimmung auf: Im Winter 2020 beurteilten 42,7 Prozent der Befragten ihre Lage als gut, 37 Prozent als befriedigend und 20,3 Prozent als schlecht.

Alle vier Freiberufler-Gruppen beurteilen ihre aktuelle Lage besser als im Vorwinter, mit Unterschieden: Die Freiberufler im technisch‐naturwissenschaftlichen Bereich sind am zufriedensten, gefolgt von den rechts‐, steuer‐ und wirtschaftsberatenden Freiberuflern, die freien Heilberufe und die freien Kulturberufe sind zurückhaltender.

Sechs‐Monats‐Prognose
16,2 Prozent erwarten eine günstigere Entwicklung, 67,9 Prozent einen gleichbleibenden und 15,9 Prozent einen ungünstigeren Verlauf. Auch hier verändern sich die Werte gegenüber dem Vorwinter: 11,9 Prozent rechneten mit einer günstigeren, 58,5 Prozent mit einer gleichbleibenden und 29,6 Prozent mit einer ungünstigeren Entwicklung.

Alle vier Freiberufler‐Gruppen sind zuversichtlicher als im Vorwinter: Dies gilt insbesondere für die rechts‐, steuer‐ und wirtschaftsberatenden Freiberufler, gefolgt von den technisch‐naturwissenschaftlichen Freiberufler, die freien Kulturberufe und die freien Heilberufe sind zurückhaltender.

Personalplanung
Innerhalb der kommenden beiden Jahre planen 20,8 Prozent der Befragten, Personal aufzustocken, 68,3 Prozent beabsichtigen, gleich viele Mitarbeiter zu beschäftigen, und 10,9 Prozent rechnen mit weniger Beschäftigten. Die Tendenz ist positiv: Im Vorjahr rechneten 13,1 Prozent damit mehr, 72,7 Prozent gleich viele und 14,2 Prozent weniger Mitarbeiter zu beschäftigen.

Konjunkturbarometer
Das Geschäftsklima zieht wieder an. Die Grundstimmung bei den Freien Berufen setzt sich nicht von der im sekundären Sektor ab.

Aktuelle Auslastung der Kapazitäten
Für 29,5 Prozent der Befragten sind ihre Kapazitäten bereits überschritten. Im Vorwinter lag dieser Wert bei 17,4 Prozent. Derzeit sind 39,4 Prozent zu mehr als 75 Prozent bis zu 100 Prozent ausgelastet, 16,4 Prozent zu mehr als 50 Prozent bis zu 75 Prozent, 8,9 Prozent zu mehr als einem Viertel bis zur Hälfte und 5,8 Prozent bis zu einem Viertel.

Perspektivische Auslastung
Von denjenigen, die noch nicht überausgelastet sind, erwarten 8,8 Prozent, binnen der kommenden sechs Monate, und 9,3 Prozent, innerhalb der nächsten zwei Jahre überausgelastet zu sein.

Sonderteil: Gründung in den Freien Berufen

Art der Gründung
75,7 Prozent der Befragten gaben an, dass sie neu gegründet haben, 12,6 Prozent übernahmen einen bestehenden Betrieb, 6,4 Prozent stiegen als Partner bei ihrem bisherigen Arbeitgeber ein und 3,7 Prozent folgten im eigenen Familienbetrieb nach.

Startpunkt der Gründung
Rund 81 Prozent der Befragten waren vor dem Start in die Selbstständigkeit angestellt tätig. Männer haben dabei zuvor mit 86,3 Prozent häufiger im Angestelltenverhältnis gearbeitet als Frauen mit 76,5 Prozent.

Top-3-Gründe für Selbstständigkeit
Für 81,3 Prozent, die zuvor angestellt waren, war die Selbstbestimmtheit entscheidend, für 53,5 Prozent die Verwirklichung der eigenen Potenziale und 40,4 Prozent wollten etwas Eigenes aufbauen.

Top 3 der Probleme bei der Gründung
46,5 Prozent identifizierten fehlendes betriebswirtschaftliches Wissen, für 38 Prozent gestaltete sich die Kundenakquise schwierig und 36,8 Prozent fehlten finanzielle Mittel.

Bürokratische Hindernisse
31,1 Prozent der Befragten hatten im Rahmen der Unternehmensgründung mit bürokratischen Hindernissen zu kämpfen, 68,9 Prozent nicht. Überdies sehen 52,5 Prozent der Befragten in einer zu hohen Dokumentations- und Nachweispflicht einen Hemmschuh für Neugründungen.

Gründungsberatung
45,6 Prozent wandten sich an ihre zuständige Berufsorganisation, 39,1 Prozent an einen beratenden Freiberufler, 12,9 Prozent an die Agentur für Arbeit und 8,2 Prozent informierten sich noch während der Ausbildung beispielsweise bei universitären Career-Centern.

Corona-Krise und Selbstständigkeit
Gefragt danach, ob sich die Stimmung von Gesellschaft und Politik gegenüber Selbstständigen in den letzten zwölf Monaten verändert haben, antworten 13,3 Prozent der Befragten, dass sich diese deutlich verschlechtert hat. 34,2 Prozent sagen, sie hat sich verschlechtert. Für 46,7 Prozent ist sie gleich geblieben, für 5,7 Prozent hat sie sich verbessert, für 0,1 Prozent sogar deutlich.

Ihre Selbstständigkeit sehen Teile kritisch: Für 26,6 Prozent der Freiberufler hat sich die persönliche Einstellung zur Selbstständigkeit verschlechtert, teils auch deutlich. Für 60,7 Prozent blieb sie gleich. Für elf Prozent hat sie sich verbessert, für 1,7 Prozent sogar deutlich.

Über die Umfrage
Repräsentative Umfrage des Instituts für Freie Berufe (IFB) im Auftrag des BFB vom 20. September bis 7. November 2021 unter rund 1.220 Freiberuflern zur Einschätzung ihrer aktuellen wirtschaftlichen Lage, der voraussichtlichen Geschäftsentwicklung in den kommenden sechs Monaten, ihrer Personalplanung und Kapazitätsauslastung. Im Sonderteil wurden Gründungen in den Freien Berufen in den Blick genommen. Die Daten bilden insofern nicht ab, wie sich die erneut verschärfende Situation auswirkt.