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Schmidt: „Fachkräftemangel spitzt sich immer weiter zu.“

„Diese Umfrage zeigt einmal mehr, der Fachkräftemangel spitzt sich bei den Freien Berufen immer weiter zu. Die ohnehin schon große Personallücke klafft auch zukünftig noch weiter auseinander. Fast jede, jeder fünfte Befragte (17,7 Prozent) geht davon aus, binnen der kommenden beiden Jahre noch weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu haben als derzeit. Verglichen mit dem Vorjahreswert von 13,8 Prozent ist dies auch ein eindeutiges Zeichen der Resignation. Die Personalnot geht bei den Freien Berufen mehr und mehr an die Substanz. So können die freiberuflichen Dienstleistungen bereits jetzt teilweise nur noch eingeschränkt angeboten werden, was sich durch die weitere Überschreitung der Kapazitätsgrenzen verschärft“, so BFB-Präsident Friedemann Schmidt zu den Ergebnissen der Umfrage.

Und sagt weiter: „Die Stimmung ist deutlich eingetrübt. Nach dem enormen Einsatz im Kampf gegen die Pandemie gab es kaum Erholungsphasen. Überdies wirken auch in unseren Feldern die Folgen des Krieges gegen die Ukraine: Steigende Preise und Inflation treffen auch uns Freie Berufe. Allerdings zeigt sich eine leichte Aufhellung für das kommende Halbjahr. Ein positives Signal trotz zahlreicher weiter bestehenden Risiken. Grundsätzlich stoßen wir Freien Berufe mehr und mehr an unsere Kapazitätsgrenzen – und gehen sogar darüber hinaus. Auch hier erwarten die Befragten eine weitere Verdichtung: 11,4 Prozent gehen davon aus, binnen sechs Monaten und 11,3 Prozent binnen zwei Jahren über 100 Prozent ausgelastet zu sein. Das sind enorme Sprünge im Vergleich zum Vorjahr. Daraus abzulesen ist auch, dass die Befragten eine weitere Nachfragesteigerung erwarten, was wiederum die Schlüsselrolle der Freien Berufen in der Dienstleistungsgesellschaft nachzeichnet.

Die Fachkräftesicherung ist nicht nur existenziell für die Freien Berufe, sondern auch für unsere Gesellschaft und unseren Standort. Und ebenso für die Transformation und weitere Zukunftsaufgaben. Diese gelingen nur, wenn gerade die Freien Berufe ihre zentralen Beiträge leisten können.

Der Sonderteil unserer Umfrage zeigt: KI schreitet auch bei den Freien Berufen gerade dort weiter voran, wo sie die freiberufliche Dienstleistung flankieren kann, birgt aber auch noch mehr Potenzial als bislang genutzt. Insgesamt zeigen sich die Befragten technologieoffen und durchaus gelassen, sehen sie doch mehr Chancen als Risiken, auch wenn einige bei dieser Abwägung noch unentschlossen sind.

Überdies hat KI durchaus Entlastungspotenzial im Fachkräftebereich, dabei gehen die Befragten nicht davon aus, dass KI ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter komplett ersetzen wird, was auch zeigt, welche wichtige Ressource die Teams der Freien Berufe sind. 69,8 Prozent der Befragten sehen grundsätzlich Entlastungspotenzial, 30,2 Prozent nicht. Helfen kann KI nach Einschätzung der Befragten gerade im Organisationsbereich und der Verwaltung, etwa bei der Datenaufbereitung (87 Prozent). Direkte Unterstützung für freiberufliche Dienstleistungen halten nur 16,9 Prozent für machbar.

Die persönliche Leistungserbringung bleibt Kern des freiberuflichen Vertrauensverhältnisses zu Patientin, Mandant, Klientin und Kunde und die Freien Berufe sehen sich wie eh und je in der Verantwortung, dieses Vertrauensverhältnis und auch die Qualität der Dienstleistung zu schützen. In diesen Einschätzungen spiegelt sich wider, dass KI die menschlichen Faktoren in ihrer Komplexität nicht abbilden kann. Individualisierte, intelligente und an den Bedürfnissen der, des Einzelnen ausgerichtete Problemlösungen in einem flexiblen Setting kann KI nicht ersetzen. Und damit bestätigt sich einmal mehr: Die Dienstleistung der Freien Berufe ist nah am Menschen, sie ist menschlich. Dies muss in politische Weichenstellungen einfließen. Die Freien Berufe brauchen mehr denn je verlässliche Rahmenbedingungen.“

Ergebnisse der BFB-Konjunkturumfrage Sommer 2023 im Einzelnen:

Aktuelle Geschäftslage
42,9 Prozent der befragten Freiberuflerinnen und Freiberufler stufen ihre aktuelle Geschäftslage als gut ein, 39,3 Prozent als befriedigend und 17,8 Prozent als schlecht. Damit ist die Stimmung verglichen mit den Sommer-Werten 2022 eingetrübt: Vor einem Jahr lagen die Werte bei 45,6 Prozent (gut), 41,8 Prozent (befriedigend) und 12,6 Prozent (schlecht).

Alle vier Gruppen beurteilen ihre aktuelle Lage schlechter als im Vorsommer. Hier zeigt sich aber ein differenziertes Bild: Die befragten technisch-naturwissenschaftlichen Freiberuflerinnen und Freiberufler sind ein wenig zurückhaltender, gefolgt von den rechts-, steuer- und wirtschaftsberatenden Freiberuflerinnen und Freiberuflern, die freien Kulturberufe und die freien Heilberufe sind merklich verhaltener.

Betrachtet nach der Unternehmensgröße zeigt sich: Gerade Solo-Selbstständige sind pessimistischer.

Sechs-Monats-Prognose
Für das kommende Halbjahr erwarten 14,1 Prozent der Befragten eine günstigere, 59,9 Prozent eine gleichbleibende und 26 Prozent eine ungünstigere Entwicklung. Hier hellen sich die Werte im Vergleich zum letztjährigen Sommer leicht auf: Diese lagen bei 12,8 Prozent (günstiger), 60,6 Prozent (gleichbleibend) und 26,6 Prozent (ungünstiger).

Personalplanung
14,6 Prozent der befragten Freiberuflerinnen und Freiberufler schätzen, binnen zwei Jahren mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu haben, 67,7 Prozent gehen davon aus, gleich viele Beschäftigte zu haben und 17,7 Prozent befürchten, Stellen abbauen zu müssen. Im Vorsommer spiegelten die Werte mit 15,9, 70,3 und 13,8 Prozent mehr Zuversicht.

Konjunkturbarometer
Das Geschäftsklima stufen die Befragten etwas schlechter ein als die restliche Wirtschaft, obwohl die Einschätzung beider Bereiche recht verhalten ausfällt. Hier zeigt sich Zurückhaltung und Skepsis.

Aktuelle Auslastung der Kapazitäten
Die Auslastung der Freiberuflerinnen und Freiberufler nimmt deutlich zu. 37,3 Prozent der Befragten geben an, dass ihre Kapazitäten überschritten sind. Im vergangenen Sommer lag dieser Wert bei 30,2 Prozent. Zu mehr als 75 bis zu 100 Prozent sind aktuell 39 Prozent ausgelastet, 11,4 Prozent zu mehr als 50 bis zu 75 Prozent, 6,4 Prozent zu mehr als einem Viertel bis zur Hälfte und 5,9 Prozent bis zu einem Viertel.

Perspektivische Auslastung
Auch hier zeigen die Werte eine sich verschärfende Situation. Von denjenigen, die noch nicht überausgelastet sind, erwarten 11,4 Prozent, binnen der kommenden sechs Monate, und 11,3 Prozent, innerhalb der nächsten zwei Jahre über 100 Prozent ausgelastet zu sein. Diese Werte lagen im Sommer 2022 bei sechs und 8,3 Prozent.

Gründe für Überauslastung
Für 68,6 Prozent gründet die Überauslastung in einer zu hohen Nachfrage. 48,4 Prozent führen sie auf fehlende Fachkräfte und 17,1 Prozent auf fehlende weitere Mitarbeiter zurück.

Sonderteil Künstliche Intelligenz (KI)

Einsatz von KI
Für ihr eigenes Berufsfeld sind knapp der Hälfte der Befragten (47,6 Prozent) KI-Anwendungen bekannt, 52,4 Prozent nicht.

Knapp zwei Drittel (60,9 Prozent) gehen davon aus, dass KI in ihrem, seinem beruflichen Feld auch in Zukunft genutzt wird, vier von zehn Freiberuflerinnen und Freiberuflern (39,1 Prozent) sehen das nicht.

Von einer flächendeckenden Nutzung in ihrem Berufsfeld gehen die wenigsten aus (5,7 Prozent), 94,3 Prozent sehen das nicht. KI wird partiell Dinge erleichtern und gegebenenfalls ersetzen, aber nach Meinung der Befragten nicht im großen Stil.

12,8 Prozent schätzen, dass in ihrem/seinem beruflichen Bereich KI bereits eingesetzt wird, 35 Prozent erwarten dies in ein bis zwei Jahren, 39,9 Prozent in drei bis fünf Jahren, 9,6 Prozent in sechs bis zehn Jahren und 2,7 Prozent in frühestens elf Jahren oder später.

Persönlich setzt jede, jeder Fünfte (19,6 Prozent) KI-Anwendungen im eigenen Arbeitsumfeld ein, 4,5 Prozent planen dies für dieses Jahr. Der Rest (75,9 Prozent) setzt bislang keine KI ein.

Chancen und Risiken
Knapp jede, jeder Dritte (28,7 Prozent) sieht für das eigene Berufsfeld eher Chancen durch KI, für 23,8 Prozent überwiegen eher die Risiken. Für den Rest (47,5 Prozent) überwiegen weder Chancen noch Risiken.

43,5 Prozent sehen eine Arbeitsentlastung durch Übernahme von Routine-, Bürokratie- und Organisationsarbeiten. Für 24 Prozent lässt sich durch KI die Qualität ihrer Dienstleistung steigern. 23 Prozent finden, dass sich Prozesse optimieren und die Arbeitseffizienz steigern lassen. Acht Prozent gehen davon aus, ihr Personal durch KI entlasten zu können.

Im beruflichen Umfeld sehen 21,6 Prozent derzeit Grenzen von KI darin, dass diese standardisierte Lösungen und Automatisierung ermöglicht, aber keine individuelle Betreuung oder persönlichen Kontakt. 16 Prozent haben bei der Nutzung hinsichtlich Datenschutz und -sicherheit Bedenken.

Rund jede, jeder Fünfte (21,8 Prozent), gerade größere Einheiten, erhoffen sich für ihre Tätigkeit einen Wettbewerbsvorteil durch KI, der Rest nicht (78,2 Prozent).

Jede, jeder Dritte (32,1 Prozent) geht davon aus, dass sich durch die Nutzung von KI für ihre, seine persönliche Tätigkeit Verdrängungseffekte ergeben, 67,9 Prozent nicht. Umfasst sind eher Teilbereiche der Tätigkeit, nicht das komplette Berufsbild. Letztlich gehen 18,9 Prozent davon aus, dass durch KI einzelne Tätigkeitsbereiche ihres Berufsbildes wegfallen könnten, 81,1 Prozent nicht.

KI als Baustein gegen den Fachkräftemangel
Jede, jeder Fünfte (19,5 Prozent) sieht den Einsatz von KI als adäquates Mittel, dem herrschenden Fachkräftemangel zu begegnen. Ein zentraleres Thema ist KI als Mittel zur Entlastung der vorhandenen Fachkräfte und Abfederung ihrer hohen Arbeitsauslastung. Hier wird KI von 69,8 Prozent der Befragten als hilfreiches Mittel gesehen. Lediglich 30,2 Prozent sehen KI nicht als adäquate Option, den Workload ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu reduzieren.

Aus Sicht der Befragten kann KI gerade im Organisationsbereich und der Verwaltung, etwa bei der Datenaufbereitung, helfen (87 Prozent). 40,7 Prozent sehen dies auch bei Anlegen oder Aufbereiten von Akten. Direkte Unterstützung für freiberufliche Dienstleistungen halten nur 16,9 Prozent für machbar.

Nützlichkeit, Anwendbarkeit und Zeitersparnis sind für mehr als die Hälfte (57 Prozent) der Befragten Aspekte, die den Einsatz von KI beeinflussen. 54,7 Prozent halten die Anwendbarkeit für maßgeblich, 53,9 Prozent die Zeitersparnis.

Über die Umfrage
Repräsentative Umfrage des Instituts für Freie Berufe (IFB) im Auftrag des BFB, durchgeführt vom 20. März bis 30. April 2023 unter rund 1.500 Freiberuflerinnen und Freiberuflern zur Einschätzung ihrer aktuellen wirtschaftlichen Lage, der voraussichtlichen Geschäftsentwicklung in den kommenden sechs Monaten, ihrer Personalplanung und Kapazitätsauslastung. Im Sonderteil der Umfrage wurde die Künstliche Intelligenz auch als möglicher Baustein gegen den Fachkräftemangel in den Blick genommen.